Schell erfahren: Elementare Basics auf dem Foil Teil 3

Foilboarden eröffnet ein vollkommen neues Erlebnisspektrum für Kitesurfer. Gleichzeitig birgt es aber auch neue Gefahren und erfordert eine besonders qualifizierte Schulung, um schnelle Lernerfolge zu ermöglichen. Foil-Experte und Sportwissenschaftler Thomas Beckmann vom Kiteboarding Club erläutert im Interview, worauf es beim Einstieg ankommt.

Foilboarden ist eine noch sehr junge Disziplin, erlebt derzeit aber einen absoluten Boom. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Schulen?

Bei der Foil-Schulung befindet sich der Markt sowohl bezogen auf die Schulungsmaterialien als auch auf das Wissen der Kitelehrer noch in den Kinderschuhen. Ähnlich wie zu den Anfängen des Sports gilt es daher, nun zügig Lehrmethoden zu entwickeln, um schnelle Lernfortschritte zu ermöglichen und die Gefahren für die Schüler so gering wie möglich zu halten.

Worin sind die größten Gefahren zu sehen?

Sie gehen in erster Linie vom Flügel aus, der mehr oder weniger scharfe Kanten hat und meist aus massivem Karbon oder Aluminium besteht. Dieses Verletzungsrisiko ist jedoch recht gut beherrsch- bar. Mit Prallschutzweste, langem Neo und Helmlässt es sich ganz gut minimieren. Was sich hingegen nur durch entsprechendes Fahrkönnen beherrschen lässt, ist die Hebelwirkung des Masts, die ich als ebenso großes Verletzungsrisiko einstu- fe. Steckt ein Fuß in der Schlaufe und das Board rollt sich weg oder schießt aus dem Wasser, sind die Kräfte so groß, dass man sich leicht Verletzun- gen an den Fußgelenken zuziehen kann.

Die meisten Hersteller haben bisher primär mit den Flügeln anstatt mit den Masten ex- perimentiert. Der richtige Weg für schnelle Lernfortschritte? 

Es ist grundsätzlich richtig, die Flügel des Foils nicht unnötig scharf zu machen und auch die Fläche des Frontwings für Einsteiger zu vergrößern. Diese Aspekte muss man aber als Ergänzung sehen. Das größte Problem und die sich daraus ergebende Herausforderung für Einsteiger ist die Mastlänge.

Was macht die Mastlänge von durchschnittlich 90 Zentimetern zu Beginn so proble- matisch? 

Wird das Board in der Querachse zu weit hinten belastet – ein typischer Fehler bei den ersten Versuchen –, schießt es wie eine Rakete nach oben und der Flügel verlässt das Wasser. Das daraufhin fallende Board mit einem meist spitzen Eintauchwinkel zu kontrollieren, ist zu Beginn quasi aussichtlos und die Fahrt endet unsanft mit einem Sturz. Wenn man Pech hat, auch direkt noch mit einem Sturz auf den Flügel. Der Kontrollverlust der Längsachse, also das Rollen des Boards Richtung Luv- oder Leekante, kann aber noch schmerzhafter enden. Bei einer zu starken Belastung der Luvkante rollt das Board Richtung Ferse unter dem Fahrer weg, obwohl der Kite in die andere Richtung zieht. Die Fußgelenke sind dann einer harten Probe ausgesetzt und nicht selten wird man über das Board auf den Mast gezogen. Erfolgt beim Start dagegen eine zu starke Belastung der Leekante, rollt das Board in Richtung der Fußspitzen, obwohl man sich instinktiv nach hinten ins Wasser fallen lassen will. Auch dabei besteht durch den enormen Hebel ein hohes Verletzungsrisiko für die Fußgelenke.

UP AND DOWN SHORT MAST – KONTROLLE DER BOARDQUERACHSE
Bild 1-4 | Durch die zu starke Belastung des hinteren Beins fängt das Board an, aus dem Wasser zu steigen.Bild 5 | Der Frontflügel verlässt bei 40 Zentimetern Höhe das Wasser und verliert seine tragende Wirkung.Bild 6-7 | Das Board fällt zurück Richtung Wasser.
Bild 8-9 | Durch den kurzen Mast bleibt der Eintrittswinkel des Boards flach und der Geschwindigkeitsverlustaufgrund der großen Boardnase gering. Bild 10 | Die Fahrt kann kontrolliert fortgesetzt werden.

Welche Vorteile bieten dagegen kurze Masten um 40 Zentimeter Länge? 

Erhebliche. Die Querachse ist deutlich leichter zu kontrollieren und bei einer zu starken Belastung des hinteren Fußes verlässt das Board bereits bei einer Höhe von 40 Zentimetern das Wasser, wodurch der Wiedereintrittswinkel entscheidend flacher ist. Durch die geringere Amplitude bleibt das Board für Einsteiger viel besser kontrollierbar. Die Längsachsenkontrolle profitiert von einem kurzen Mast aber noch stärker. Bemerkt der Fahrer, dass das Board beginnt ungewollt nach Lee oder Luv zu rollen, kann er bei einer Mastlänge von 40 Zentimetern noch recht gut gegensteuern und den Fahrversuch retten. Bei einem 90-Zentimeter-Mast ist das nahezu aussichtslos und man ist dazu verdammt, dem Übel dabei zuzusehen, wie es seinen Lauf nimmt. Die Hebelkraft des Masts ist dabei einfach zu groß.

Was bedeutet die Möglichkeit kurze Mas- ten einsetzen zu können für die Praxis von Foil-Kursen? 

Es wird dadurch für beide Parteien deutlich einfacher. Bisher konnte man einen Schüler quasi nicht aus den Augen lassen, weil man ständig Angst haben musste, dass er sich verletzt oder in Seenot gerät. Das macht es für den Kunden natürlich auch teuer, da im Grunde nur eine Eins-zu-eins-Schulung möglich war und zudem, abhängig vom Revier, auch noch ein Boot benötigt wurde. Wenn man das mal auf 20 Kursstunden ausrechnet, ist der Schüler ein kleines Vermögen los. Durch das Konzept mit unterschiedlichen Mastlängen sind wir einem intelligenten Unterricht deutlich näher gekommen. Wir starten beim KBC mit ein bis zwei Individualstunden, idealerweise in hüfttiefem Wasser. Zunächst erhält der Schüler eine Einweisung und Demonstrationen, um ihm eine Bewegungsvorstellung zu vermitteln.

Das erste motorischeZiel: die kontrollierte Verdrängerfahrt mit einem kurzen Mast.

Das Bewegungsziel mit dem kurzen Mast besteht dann erst mal gar nicht darin, in den „fliegenden“ Zustand zu kommen, sondern das Board kontrol- liert auf dem Wasser zu halten. Nach dieser kurzen Einführung kann der Schüler bereits bei minimalem Risiko eigenständig Bewegungserfahrung sammeln. Der nächste Schritt besteht dann darin, die ersten Meter in der fliegenden Fahrt zurückzulegen. Wird eine Mastlänge wie gewünscht kontrolliert, wech- seln wir auf den nächstlängeren Mast, bis wir beim längsten Modell angekommen sind.

Vor dem Wechsel auf den nächst längeren Mast: kurze bis
mittlere Strecken in der schwebenden Fahrt auf dem kurzen Mast.

Wie wichtig ist dabei das Board und wie sieht das optimale Board für die ersten Versuche aus? 

Ungefähr so, wie die meisten Boards auf dem Markt nicht aussehen – leider. Es ist völlig unsinnig, einem Einsteiger ein zu kleines Board zu geben. Bei der Twintip-Schulung kommt man auch nicht auf die Idee, einem Schüler gleich ein 130-Zentimeter-Board zu geben. Kleine Boards bedeuten eine schwierigere Kontrolle in der Verdrängerfahrt und es sind vor allem mehr Schirmzug und Fahrgeschwindigkeit nötig, um in eine stabile Fahrposition zu gelangen. In der Bewegungsvermittlung gilt der Leitsatz: Kontrolle vor Kraft und Geschwindigkeit.

Ein weiterer großer Vorteil des kurzen Masts: Der Schüler traut
sich recht schnell das Board „aufzukanten“.

Welches Material sollte sich also ein angehender Foilkiter kaufen?

Erst mal gar nichts. Wenn man sich ein gutes Starterpaket mit unterschied- lichen Mastlängen und einem großen Board kauft, ist man seinem Material in der Regel sehr schnell entwachsen und man müsste es gleich wieder ver- kaufen. Das hat ökonomisch keinen Sinn. Es ist daher allemal sinnvoller, eine Schule zu besuchen und das Material am Anfang zu leihen, bis man so weit ist, sich das richtige Foil und Board für die nächsten Jahre zu kaufen. Durch den Wechsel zwischen punktuellen Lerneinheiten und freier Übungszeit ist das wirklich nicht so teuer.

Mastlängen: Vom Einfachen zum Schweren – Durch unterschiedliche Mastlängen ist ein didaktisch sinnvoller Einstieg ins Foilboarden möglich.

Ist Foilboarden durch dieses Lernmodell nun einem größeren Personenkreis zugänglich? 

Auf jeden Fall. Grundvoraussetzung ist zwar immer noch eine sehr gute Schirmkontrolle, aber man muss kein Profi sein oder länger als zehn Jahre kiten, um das Foilboarden mit kurzem Mast zu erlernen. Zudem wird der Einstieg ungefährlicher und es stellen sich schnel- lere Erfolge ein. Wir arbeiten deshalb beim KBC mit Mastlängen von 40 bis 60 Zentimeter in Fünf-Zentimeter-Abständen. Bei weniger erfahrenen Kite- surfern können wir uns so auch mit sehr kleinen Schritten und der nötigen Sicherheit den langen Masten nähern. Blutige Schienbeine und verdrehte Fußgelenke gehören damit der Vergangenheit an.

VON DER LEEKANTE ZURÜCK AUF DIE LUVKANTE – KONTROLLE DER BOARDLÄNGSACHSE
Bild 1-2 | Das Board wird hinten zu stark belastet (Querachse) und kommt mit der Nase aus dem Wasser. Bild 3-4 | Beim Aufsteigen wird die Leekante zu stark belastet und das Board droht nach Lee zu rotieren (Längsachse). Bild 5-7 | Der Fahrer bemerkt die Fehlbelastung und kann durch eine Gewichtsverlagerung auf die Luvkante gegensteuern. Bild 8-10 | Das Board setzt kontrolliert wieder auf.