Schell erfahren: Elementare Basics auf dem Foil Teil 4

Wird der Schwebezustand auf dem Foil erst mal beherrscht, offenbart sich mit dem Richtungswechsel gleich die nächste große Herausforderung. Foil-Experte und Sportwissenschaftler Thomas Beckmann vom Kiteboarding Club erläutert, wie die Halse am besten gelingt, ohne dabei mit dem Hinterteil im Wasser zu landen.

SWITCH-HALSE VERDRÄNGERFAHRT
1 | Thomas bereitet sich auf den Fußwechsel vor. Der Kite befindet sich auf derElf-Uhr-Position und das Board auf Halbwindkurs.2-4 | Trotz des Kontrollblicks Richtung Fußschlaufe gilt es, den Oberkörper aufrecht zu halten und nicht nach vorn abzukippen. Tipp: Fußzehen anheben, dadurch bleibt die Ferse fast automatisch auf dem Deck.5 | Thomas hat den Kite Richtung Zenit eingelenkt. Der dabei entstehende Kitezug wird genutzt, um sich auf Raumwindkurs ziehen zu lassen.6-7 | In einem flüssigen Übergang folgt im direkten Anschluss die Einleitung des engen Downloops.8 | Das Kreuzen des Vorwindkurses unterstützt Thomas, indem er die Bar aktiv nach unten zieht.9-11 | Der durch den Downloop generierte Zugaufbau wird eingesetzt, um Fahrgeschwindigkeit aufzubauen. 12 | Ist die nötige Geschwindigkeit erreicht, erfolgt der Übergang in die schwebende Fahrt. 
 

Der Begriff Halse stammt ursprünglich aus dem Segelsport und beschreibt einen Richtungswechsel, bei dem der Bug des Segelboots vor dem Wind dreht. Auf dem Twintip findet dieses Manöver immer dann statt, wenn der Richtungswechsel mit einem gecarvten Turn vollzogen wird. Nachteil dieser Art von Richtungswechsel ist der Verlust von Höhe zum Wind, den man in Kauf nehmen muss. Der Vorteil besteht hingegen in einem insgesamt flüssigen Manöver, bei dem nur wenig Fahrgeschwindigkeit verloren geht. Speziell beim Foilkiten bietet die Halse zusätz-lich den Vorteil, dass sie deutlich leichter erlernbar ist als eine Wende (Richtungswechsel mit Drehung der Boardspitze durch den Wind). Das gilt sowohl für die Halse, die mit dem Board auf dem Wasser gefahren wird, als auch für die auf dem Flügel absolvierte. Der fahrtechnische Anspruch einer geflogenen Wende ist dann noch mal erheblich höher als der einer geflogenen Halse. Grundlegend muss zwischen zwei Varianten der Halse unterschieden werden: Fußwechsel in die Switch-Position mit anschließender Halse und Halse mit Fußwechsel nach der Kurvenfahrt.

Fußwechsel

Das schwierigste Element einer Halse stellt zweifellos der Fußwechsel dar. Es ist daher ratsam, ihn zuerst auf einem direktionalen Board (Surfboard) zu trainieren. So wird der Versuch auf dem Foilboard schneller von Erfolg gekrönt sein. Dann steht aus didaktischer Sicht natürlich zunächst der Fußwech- sel in der sogenannten Verdrängerfahrt an (Board befindet sich bei gemäßigter Geschwindigkeit auf der Wasseroberfläche). Doch selbst wenn diese Technik beherrscht wird, stellt der Schritt zur Halse im fliegenden Zustand noch mal eine ganz andere Herausforderung dar. In der Fahrt auf dem Flügel reagiert das Board extrem sensibel auf Fehlbelastungen. Zahlreiche Abflüge sollten also einkalkuliert werden. Dennoch existieren natürlich einige Tricks zur Vermeidung unnötiger Schmerzen und für eine steilere Lernkurve. Die größte Gefahr geht – wie bei den meisten Manövern auf dem Foilboard – vom Sturz auf den Flügel aus. Sowohl in der Verdrängerfahrt als auch bei den ersten Fußwechselversuchen im fliegenden Zustand ist es deshalb ratsam, den Kite nicht zu klein zu wählen. Natürlich ist es möglich, bei zehn Knoten Windgeschwindigkeit mit einem Acht-Quadratmeter-Kite zu foilen.

Um den Fußwechsel zu trainieren, sollte dann aber eher zu einem Zwölfer oder sogar größeren Schirm gegriffen werden. Bei den ersten Versuchen wird der Kite idealerweise sehr hoch geflogen (Elf- beziehungsweise Ein-Uhr-Position). Je intensiver der vertikale Zug des Kites, desto geringer fällt das auf das Board wirkende Körpergewicht aus. Auf diese Weise sind Fehlbelastungen weniger häufig und auch die entsprechenden Bestrafungen in Gestalt von Stürzen nehmen ab. Zusätzlich kann man sich bei einem bevorstehenden Sturz durch Heranziehen der Bar vom Schirm herausheben lassen, weg vom Board und den Flügeln mit ihren scharfen Kanten. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass weniger Fahrgeschwindigkeit benötigt wird, um das Board in eine stabile Lage zu bringen. Das gilt für die Verdränger- und noch mehr für die fliegende Fahrt. Eine häufig zu beobachtende Ursache für Fehlbelastungen des Boards liegt noch vor der tatsächlichen Einleitung des Fußwechsels.

Wird der Blick nach unten gerichtet, um die Fußschlaufe anzuvisieren, erfolgt fast automatisch ein Abknicken des Oberkörpers, womit zusätzliches Gewicht auf den vorderen Fuß gelangt. Daher gilt: Auch wenn der Blick nach unten geht, sollten die Schultern zurückgenommen und eine möglichst aufrechte Haltung bewahrt werden. Der anschließende Fußwechsel erfolgt dann auf einem leichten Raumwindkurs, mit einer noch verbleibenden Belastung der Luvkante des Boards. Auch wenn man Profis den Fußwechsel häufig fast auf Vorwindkurs absolvieren sieht, ist die hier vorgestellte Variante deutlich einfacher zu erlernen. Die Kombination aus Kitezug nach Lee und dem gegebenen Widerstand über den Einsatz der Luvkante ergibt eine stabile Fahrposition. 

SWITCH-HALSE FLIEGEND
1 | Thomas bereitet sich auf den Fußwechsel vor. Der Kite befindet sich auf der Elf-Uhr-Position und das Board auf Halbwindkurs. 2-5 | Trotz des Kontrollblicks Richtung Fußschlaufe gilt es, den Oberkörper aufrecht zu halten und nicht nach vorn abzukippen. Tipp: Fußzehen anheben, dadurch bleibt die Ferse fast automatisch auf dem Deck. 6-7 | Thomas hat den Kite Richtung Zenit eingelenkt. Der dabei entstehende Kitezug wird genutzt, um sich auf Raumwindkurs ziehen zu lassen. 8-9 | In einem flüssigen Übergang folgt im direkten Anschluss die Einleitung des engen Downloops. 10 | Das Kreuzen des Vorwindkurses unterstützt Thomas, indem er die Bar aktiv nach unten zieht und seinen Blick in die neue Fahrtrichtung orientiert. 11 | Der durch den Downloop generierte Zugaufbau wird eingesetzt, um Fahrgeschwindigkeit aufzubauen und die Kurvenfahrt zu vollenden. 

Neben diesen technischen Widrigkeiten existiert im fliegenden Zustand ein zusätzliches physikalisches Problem beim Fußwechsel. Bei der normalen Geradeausfahrt wird in der Querachse eine Balance hergestellt – das Board befindet sich im Schwebezustand, die Boardnase neigt sich weder zum Wasser noch zum Himmel.

Dieses sensible Gleichgewicht soll während des Fußwechsels möglichst erhalten bleiben, obwohl kurzfristig beide Füße vorn in den Schlaufen stehen und die Boardspitze somit gnadenlos Richtung Wasser gedrückt wird. Um dieser Entwicklung vorzubeugen, existieren unterschiedliche Möglichkeiten. Geschwindigkeit: Je schneller der Fußwechsel erfolgt, desto weniger fällt die kurze Fehlbelastung ins Gewicht. Tragfähigkeit des Schirms einsetzen: mit grundlegend mehr Kitezug fahren und die Bar im Moment des Fußwechsels zum Körper heranziehen.

Kurvenradien

Halsen sind in unterschiedlichsten Varianten möglich. Zwei variable Elemente haben jedoch entscheiden- den Einfluss auf das Gelingen: der Kurvenradius und die Fahrgeschwindigkeit. Gerade bei den ersten Versuchen sind beide Faktoren klein zu halten. Es sollten also eine niedrige Geschwindigkeit und ein enger Radius gewählt werden. Das Ziel besteht darin, dem Kite so kurz wie möglich hinterherzufahren. Die Verweildauer auf Vorwindkurs also so gering wie möglich zu halten. Jeder Meter auf Vorwindkurs bringt den Nachteil, dass sich die Strömungsgeschwindigkeit am Kite reduziert, die Zugkraft und das Ansprechen auf Steuerbefehle also gleichermaßen sinken.

Kitesteuerung

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, um den Schirm von der linken in die rechte Windfensterhälfte (oder umgekehrt) zu steuern. Bei jedem Rich- tungswechsel geht es aber pauschal darum, den Kite während des Halsenverlaufs vom einen zum gegenüberliegenden Windfensterrand zu dirigieren. Dieses Ziel ist bei allen Varianten identisch. Der zentrale Unterschied besteht in der Zeit, die der Schirm benötigt, um das Manöver zu vollziehen. Und hier geht es besonders am Anfang nicht darum, der Erste zu sein. Während der Neupositionierung des Schirms sollte er nicht zu sehr an Fluggeschwindigkeit verlieren. Das würde automatisch Zugverlust bedeuten, womit sich der Kite schlechter steuern lässt, aber auch die Aufrechterhaltung der stabilen Boardlage erschwert wird. Die ideale Einsteigervariante ist daher ein getunter Downloop. Der Kite wird also aus der Elf-/ beziehungsweise Ein-Uhr-Position erst Richtung Zenit geflogen und dann in einem engen Downloop in die neue Windfensterhälfte gesteuert. Erreicht der Schirm den Zenit, wird durch die Fluggeschwindigkeit zusätzlicher Zug generiert, der in Kombination mit beherztem Anziehen der Bar fast schon ein Lift ist. Dieser Impuls wird zum einen genutzt, um auf Raumwindkurs zu wechseln, aber auch, um den Kite bei hoher Leinenspannung und damit guter Sensibilität für Lenkimpulse in einen engen Downloop zu steuern.

KITESTEUERUNG FLIEGENDE HALSE
1 | In der Ausgangsposition befindet sich der Kite auf der Elf-Uhr-Position und das Board auf Halbwindkurs. 2-3 | Thomas fliegt den Kite Richtung Zenit und behält den Kurs bei. 4 | Im Bereich des Zenits angelangt erzeugt der Kite nun zusätzlichen Lift, dem Thomas nachgibt und sein Board dabei auf Raumwindkurs ausrichtet. 5 | Im direkten Anschluss wird der Kite energisch in den Downloop geschickt. 6-8 | Das Gewicht bleibt durchgehend auf der Boardkante, wodurch die Kurvenfahrt unterstützt wird. 9-12 | Der letzte Teil des eng geflogenen Downloops wird genutzt, um ohne Geschwindigkeitsverlust den neuen Kurs einzustellen und den Kite an die entsprechende Position am Windfensterrand zu stellen.