Die karibische Seite der Niederlande
Die ABC-Inseln im südlichen Teil der Karibik stellen eine absolute Ausnahmeerscheinung dar. Sie unterscheiden sich nicht nur landschaftlich vom übrigen Teil der klischeehaften Karibikinseln, sondern erlangen auch durch ihre phänomenale Windausbeute einen exponierten Sonderstatus. Dylan van der Meij hat Bonaire als den prominenteste Vertreter des Trios bereist und ist vor der Nordküste Venezuelas auf niederländischen Charme gestoßen.
Träume von satter, grüner Vegetation, von Palmen gesäumten, weißen Sandstränden und Rastafari-Lifestyle bekommen im Anflug auf Bonaire schlagartig einen Dämpfer verpasst. Karg und braun wie die nördlichen Inseln der Kanaren präsentiert sich das den Niederländischen Antillen angehörende Eiland aus der Luft. Mildernd wirkt dabei jedoch der in vielfältigen Türkistönen leuchtende Ozean, welcher die pilzähnlich aus dem Wasser ragende Insel einrahmt. Ganz so gering fällt die Vegetation am Boden angelangt aber dann doch nicht aus.
Landschaftlich kann Bonaire in zwei Hälften unterteilt werden. Während das Bild im flachen Süden eher von Trockenheit und natürlichen Salzseen geprägt ist, präsentiert sich der Norden hügelig und dicht bewachsen. Dort bildet der Washington Slagbaai National Park die grüne Lunge der Insel und hält wunderschöne Wanderrouten für Naturliebhaber bereit. Die große Beliebtheit unter Wassersportlern hat Bonaire jedoch durch seine einzigartigen Küstenbereiche erlangt. Das Meer ist selbst für karibische Verhältnisse ungewöhnlich klar und schimmert in mannigfaltigen Farbtönen. Bonaire ist nicht nur von Korallenriffen umgeben, es ist selbst eines – und besitzt damit die am leichtesten zugänglichen Tauchreviere der Karibik. Hier wird kein Boot benötigt, um die faszinierende Unterwasserwelt zu erkunden. Alleine auf der leewärts gerichteten Küstenseite und rund um die vorgelagerte Insel Klein Bonaire sind über 80 Tauchplätze namentlich ausgewiesen und sozu- sagen zu Fuß erreichbar. Die Riffe liegen dabei häufig nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche, was Schnorchelausflügen besonders auf Klein Bonaire den besonderen Charakter eines Tauchgangs mit Pressluftflasche verleiht.
Wegen der Kolonialisierung durch die Holländer ist die Nähe Bonaires zu Europa bis heute spürbar. Seit der Auflösung des Landesverbandes der nie- derländischen Antillen im Jahr 2010 ist Bonaire zwar nur noch als besondere Gemeinde in die Niederlande eingegliedert und als Währung löste der US-Dollar den niederländischen Antillen-Gulden ab, darüber hinaus finden sich aber zahlreiche kulturelle Überreste der Europäer. Die Hauptstadt Kralendijk verzückt mit farbenfrohen Kolonialstil-Häusern, neben Papiamentu ist Niederländisch die meistgesprochene Sprache und auch die typischen Frittierküchen unserer westlichen Nachbarn gehören zum Straßenbild. Für Besucher aus Europa, speziell aus Deutschland und den Niederlanden, hat der seit Ende 2011 in Kraft getretene Flugplan von KLM die ABC-Inseln entscheidend näher gebracht.
Täglich geht ein Flug direkt von Amsterdam nach Bonaire, was die Reiseorganisation denkbar einfach gestaltet. Die sollte man im Grunde so bald wie möglich angehen, denn momentan ist die Zahl der Kiter auf Bonaire noch ziem-
lich überschaubar, was garantiert nicht an der Windausbeute liegt. Über den Südteil der Insel, wo sich die flachen Salzseen befinden, fegt der Nord-Ost-Passat hinweg und beschert eine Windstatistik, die wohl an kaum einem anderen Ort der Welt so beeindruckend ausfällt. Von Januar bis August liegt die Windwahrscheinlichkeit für mehr als vier Windstärken zwischen 80 und 95 Prozent, fällt selbst in den schwächsten Monaten von Oktober bis November nur knapp unter 60 Prozent und sichert in den Sommermonaten eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 16 bis 17 Knoten. Diese Tatsache hat Bonaire zu einer Schmiede von internationalen Topwindsurfern gemacht. Locals wie Tati und Tonky Frans mischen auf dem World Cup ganz vorn mit und können am Sorobon Beach beim Training beobachtet werden.
Schroff und felsig präsentiert sich die Ostseite Bonaires, weshalb es nur wenige Einstiegsmöglichkeit für Wassersportler gibt. Der einzige gut zugängliche Spot ist die große Lagune Lac Cai, die mit auflandigem Wind im Grunde ein Traumrevier für Kitesurfer darstellt. Genau die wird allerdings von den Windsurfern dominiert, Kitesurfen ist auf der Lagune verboten. Nichtsdestotrotz lohnt sich ein Ausflug dorthin. Am feinsandigen Strand stehen direkt an der Wasser- kante die Liegestühle und Tische der Hang Out Beachbar, wo man der Action beim Mittagessen oder einem Cocktail ganz nah sein kann.
Alternativ bieten die zwei Wassersportstationen vor Ort auch SUP-Boards für einen Ausflug an. Obwohl die Ostküste und damit die Seite der Insel mit auflandigem Wind für Kiter nahezu unattraktiv ist, hat sich Bonaire die Bezeichnung als absoluter Traumspot mehr als verdient.
Wer mit dem Kite aufs Wasser will, fährt an den Atlantis Beach auf der genau gegenüber liegenden, windabgewandten Seite. Durch die weitläufigen Salinen steht dem Wind hier nichts im Wege, weshalb er auch auf der Westseite konstant und mit voller Stärke ankommt. Der Vorteil für Kiter, insbesondere für Freestyler: Durch den schräg ablandigen Wind ist das Wasser spiegelglatt. Diese Umstände kommen aber natürlich auch Anfängern und Fortgeschrittenen zugute, die sich durch ein vorhandenes Rescue-Boot sicher fühlen dürfen. Mit Kiteboarding Bonaire und der Bonaire Kiteschool haben sich gleich zwei Kiteschulen am Atlantis Beach niedergelassen, doch selbst wenn mal mehr als zehn Kiter gleichzeitig auf dem Wasser sind, wird es an diesem Spot durch seine Ausdehnung von mehreren Kilometern nach Nordwesten und Südosten niemals eng. Einen Stehbereich gibt es allerdings nicht, weshalb die Kiteschulung vom Boot aus durchgeführt wird. Nachtleben und pul- sierende Partymeilen sollte man bei einer Reise nach Bonaire nicht erwarten.
In der kleinen und gemütlichen Hauptstadt Kralendijk ticken die Uhren langsam. Trotzdem gibt es natürlich rund um die Promenade zahlreiche Restaurants und auch einige Bars, in denen sich bei Livemusik die lokale Kiteszene zum Sundowner-Drink trifft. Wer auf europäische Standards nur ungern verzichten möchte, großen Wert auf eine satte und verlässliche Windstatistik legt, ist auf Bonaire bestens aufgehoben. Schon nach der ersten Session am Atlantis Beach übertrifft die Attraktivität dieser Insel für Was- sersportler ohnehin den Charme von Merengue- Klängen und Kokosnusspalmen.
INFOS BONAIRE
FAKTEN
Sprache Niederländisch, Papiamentu
Fläche 294 Quadratkilometer
Einwohner 16.000
Währung US-Dollar
Klima tropisch-arid, viel Sonne und viel Wind bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 28 Grad
Neoprenanzug Ein Neoprenanzug wird ganzjährig nicht benötigt, höchstens zum Schutz vor der Sonneneinstrahlung.
Partytauglichkeit gering
Attraktivität für Familien hoch
ALTERNATIVPROGRAMM
Für Wassersportbegeisterte steht ein umfangreiches Spektrum an Aktivitäten zur Verfügung. Vom Wakeboarden über Segeln
bis hin zu Kajak- oder Höhlentouren. Wer eine Schnorchelausrüstung hat, sollte sie unbedingt mitnehmen, es gibt kaum schönere Reviere auf der Welt, wo man direkt vom Strand aus eine solche Farbenpracht und Vielfalt an Unterwasserlebewesen bestaunen kann. Auch für die Zertifizierung zum Open Water Diver ist Bonaire schlichtweg perfekt geeignet. Wer die Insel gern auch an Land erkunden möchte, sollte sich in den Washington
Slagbaii National Park begeben und einer der ausgewiesenen Wanderrouten folgen.
WETTER
Die durchschnittliche Temperatur liegt während des ganzen Jahres zwischen minimal 24 Grad Celsius in den Wintermonaten und maximal bis zu 33 Grad Celsius im August und September. Die Regenwahrscheinlichkeit ist gleich Null. Nur zwischen September und Dezember kann der ein oder andere kurze Schauer auftreten, doch bleiben die Temperaturen auch dabei immer noch konstant hoch. Trotz Trockenheit und dauerhaftem Sonnenschein wird es aber eigentlich nie zu heiß, dafür sorgt der konstante Nordost-Passat. Ähnlich wie die Lufttemperatur liegt auch die Wassertemperatur in den Sommermonaten bei angenehmen 27 bis 28 Grad Celsius, lediglich in den Wintermonaten fällt die Temperatur auf „nur” noch 25 bis 26 Grad Celsius.
INFORMATIONEN UND BUCHUNG UNTER
www.karibiksport.de, www.itsmysport.com
BEISPIELREISEANGEBOT VON KARIBIKSPORT
Sieben Übernachtungen inklusive Flug ab Deutschland mit Flughafentransfer ab 899 Euro – Verlängerungswoche plus sieben Nächte für 249 Euro (Preisangaben pro Person bei zwei Personen). Mietwagen (Pick-up) zubuchbar für nur 189 Euro pro Woche pro Person. Kitesurfunterricht auf Anfage (auch deutschsprachig) möglich.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe Nr. 47 erschienen.