So kitet Deutschland Teil IV
Welcher Hersteller liegt in der Käufergunst am höchsten? Welche Kriterien sind beim Materialkauf die wichtigsten? Und welche Marke hat die zufriedensten Kunden? Fragen, denen wir mit der Hilfe der Kitelife- Leser auf den Grund gegangen sind. In Kooperation mit der Fachhochschule Münster präsentieren wir die größte Umfrage, die je unter Kitesurfern durchgeführt wurde, sowie knallharte Fakten, die den deutschen Kitemarkt zeigen, wie er wirklich ist. Anhand der Ergebnisse aus den Vorjahren zeigen wir zudem auf, in welche Richtung sich der Markt entwickelt. Von Mitte Oktober bis Anfang Dezember 2014 sind im Rahmen der Kitelife-Leserumfrage 1.884 ausgefüllte Fragebögen online und postalisch bei Prof. Dr. Schwanitz und seinem Team eingegangen, die Ergebnisse damit repräsentativ sowie ungeschönt und unabhängig.
Kitesurfen ist kein Sport für Pfennigfuchser, das weiß jeder, der sich sein Material und Zubehör selbst kaufen muss. Für eine komplette Ausrüstung fallen auch bei einem Secondhandkauf Summen an, mit denen man problemlos einen gebrauchten, gut erhaltenen Kleinwagen erstehen könnte. Und mit der Ausrüstung allein ist es für die meisten Kitewilligen ja noch nicht getan, zumindest sofern sie nicht direkt am Strand wohnen. Investitionsbereitschaft ist eine zwingende Voraussetzung für Spaß auf dem Wasser und obwohl die Deutschen pauschal nicht unbedingt dafür bekannt sind, dass ihnen das Geld locker in der Tasche sitzt, scheinen die Kitesurfer eine klare Ausnahme darzustellen. Aus Sicht der Branche erfreulich und in Anbetracht der aktuellen Dollarentwicklung fast zwingend notwendig, ist im Vergleich zu den vergangenen Jahren eine prägnant steigende Investitionsbereitschaft für das Sportequipment festzustellen, egal ob es um Kites oder Boards geht.
Welchen Preis (Euro) planst du für den Neukauf eines Boards ein?
Besonders bei den Boards sind signifikante Veränderungen zu den Vorjahresergebnissen der Leserumfrage erkennbar. Zurückführen lässt sich die ansteigende Preisbereitschaft nicht zuletzt auf die bei etlichen Herstellern starke Zunahme der verbauten Hightechmaterialien, mit denen das Gewicht möglichst gering gehalten, gleichzeitig aber auch die Haltbarkeit gesteigert und die Rumpfabstimmung verbessert werden soll. Mit dem Einzug dieser Hightechmaterialien bei der Fertigung von Kiteboards sind in den vergangenen Jahren die Preise kräftig angestiegen: Galten Kiteboards um 900 Euro oder darüber vor vier Jahren noch als absolute Exoten, stellt das Segment dieser Premiumboards mittlerweile einen nicht unwesentlichen Teil des Gesamtangebots dar. Lag die häufigste Preisbereitschaft bei deutschen Kitesurfern im Jahr zuvor noch im Bereich zwischen 300 und 600 Euro, geht die Tendenz unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus 2012 und 2013 konstant und unumstritten zu hochpreisigeren Modellen. Mittlerweile ist die häufigste Preisbereitschaft im Segment zwischen 400 und 700 Euro angesiedelt. Beeindruckende 50 Prozent der Befragten geben sogar eine konkrete Ausgabebereitschaft zwischen 600 und über 1.000 Euro an. Besonders aussagekräftig zeigen sich hier die Anstiege in der Kategorie der absoluten Premiumboards. Die Anzahl der Kiter, die 900 bis 1.000 Euro oder sogar mehr für ein Board ausgeben würden, hat sich im Vergleich zu 2013 mehr als versechsfacht.
Die Bereitwilligkeit, beim Kauf eines Boards gern auch tiefer in die Tasche zu greifen, als es der eigentliche Marktdurchschnitt erfordert, zeichnet sich ebenfalls bei der Frage nach den wichtigs- ten Faktoren ab, welche die Kaufentscheidung beeinflussen. Hinter den mit Abstand für alle Befragten die größte Bedeutung besitzenden Faktoren Fahreigenschaften und gute Testergebnisse folgt ein möglichst günstiger Preis erst weit abgeschlagen mit 18 Prozent auf dem vierten Platz. Völlig unwichtig scheint deutschen Kitern auch weiterhin das Markenimage des gekauften Produkts zu sein. Nur fünf Prozent der Befragten erachten dieses Kriterium als besonders wichtig bei der Kaufentscheidung. Im Segment der Kiteboards kann sich North Kiteboarding wie schon 2013 der größten Käufergunst erfreuen. Nicht nur bei der Frage nach dem zuletzt gekauften Board liegt North mit sicherem Vorsprung vorn, auch auf die Frage nach der Marke, von der voraussichtlich als Nächstes ein fahrbarer Untersatz erworben wird, nennen 24 Prozent der Befragten North Kiteboarding. Dieses Ergebnis bedeutet verglichen mit 2013 zwar einen leichten Rückgang, lässt aber keine Zweifel an der haushohen Überlegenheit gegenüber der Konkurrenz aufkommen. Während die Firma Hiss-Tec mit den Marken Core und Carved zusammengenommen North schon fast auf den Fersen ist, treten die Fehmaraner in diesem Jahr den zweiten Platz auf dem Podium ab.
Von welcher Marke möchtest du voraussichtlich ein Board kaufen?
Mit einem beachtlichen Erfolg schiebt sich Slingshot vorbei an Carved und Core und kann mit neun Prozent der Nennungen bei der beabsichtigten Markenwahl das eigene Ergebnis aus dem Vorjahr fast verdoppeln. Wurden die Amerikaner mit Fuel, Rally und RPM in der Vergangenheit fast ausschließlich an ihren Kites gemessen, scheint der Ausbau der Boardpalette genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen zu sein. Deutliche Zugewinne bei der beabsichtigten Markenwahl unter deutschen Kitesurfern kann auch Liquid Force verbuchen. Mit fünf Prozent der Nennungen ist eine kontinuierliche Annäherung an die Führenden zu verzeichnen. Um die Marke Naish wird es im Kitesurfen dagegen in Deutschland immer ruhiger. Im letzten Jahr noch in den Top Ten vertreten, musste man gegenüber 2012 zwar schon Einbußen bei der Käufergunst hinnehmen, im Jahr 2014 gehen die Hawaiianer nun allerdings als deutlich abgestrafter Verlierer hervor. Mit unter zwei Prozent der Nennungen schlägt für den einstigen Big Player ein schmerzhafter Einbruch von über 60 Prozent gegenüber 2013 zu Buche. Die konkrete Kaufbereitschaft liegt bei den Kites ähnlich wie bei den Boards eher im höherpreisigen Bereich und folgt ebenfalls einer steigenden Tendenz.
Auf die Frage nach dem als realistisch erachteten Preis für einen neuen Kite only in zwölf Quadratmetern geben 41 Prozent der Befragten eine Preisspanne zwischen 1.000 und über 1.200 Euro an. Ein klarer Anstieg gegenüber den Vorjahren. 2012 erachteten nur 31 und im Folgejahr 37 Prozent diese Preisspanne als realistisch.
Welche drei Kriterien sind dir beim Kauf eines Boards besonders wichtig?
Unterstrichen wird die Orientierung zum oberen Preissegment durch die Ergebnisse auf die Frage nach dem konkreten Budget, das für den Neukauf eingeplant wird. Ganze 35 Prozent der Umfrageteilnehmer geben an, eine Summe zwischen 1.100 und über 1.300 Euro dafür in die Hand nehmen zu wollen. Allein 16 Prozent davon entfallen im Jahr 2014 auf den Preis von 1.200 Euro. 2012 lag dieser Wert bei lediglich fünf und 2013 bei zehn Prozent. Befragt nach den wichtigsten Aspekten bei der Kaufentscheidung für einen Kite landet Leistung mit 65 Prozent an erster Stelle, gefolgt von Sicher- heit mit 60 und guten Testberichten mit 46 Prozent. Hoher Wert wird aber auch auf eine robuste Bauweise gelegt, die ebenfalls von 46 Prozent der Befragten als besonders wichtiges Kriterium bei der Kaufentscheidung erachtet wird. Die Annahme, dass die Zusammenstellung der optimalen Kiterange auf jeden Fall günstig sein muss, kann klar widerlegt werden. Lediglich 17 Prozent nennen einen günstigen Preis als besonders wichtiges Entscheidungskriterium.
Was ist deiner Meinung nach ein realistischer Verkaufspreis (Euro) für einen neuen 12-Quadratmeter-Kite (only)?
Welches Budget (Euro) planst du für den Neukauf deines nächsten Kites?
Die optimale Mischung aller relevanten Aspekte bei der Kaufentscheidung bietet aus Sicht deutscher Kiter ganz klar North Kiteboarding. Auf die Frage, von welcher Marke der letzte Kite gekauft wurde, antworten 23 Prozent mit North Kiteboarding. Hier können die Oberhachinger allerdings nicht auf einen so komfortablen Vorsprung bauen wie bei den Boards. Mit 17 Prozent landet Core auf dem zweiten Platz, gefolgt von Slingshot mit zehn Prozent. Das Ranking der Marken, von denen die deutschen Kiter voraussichtlich ihren nächsten Kite kaufen wollen, sieht recht ähnlich aus. 27 Prozent schenken ihr Vertrauen North Kiteboarding, 21 Prozent der Marke Core, was im Vergleich zu 2013 einen Anstieg um zwei Prozentpunkte für die Fehmaraner bedeutet.
Welchen Kite hast du zuletzt gekauft (Marke)? Slingshot steht unter den deutschen Kitern ebenfalls hoch im Kurs und sichert sich mit zehn Prozent der Nennungen den dritten Platz. Ähnlich wie bei den Boards scheint die Marke Liquid Force auch im Segment der Kites immer mehr Anhänger in der Bundesrepublik zu finden. Vier Prozent geben an, einen Schirm aus den Modellreihen Envy, Wow, Solo, NRG oder HifiX erstehen zu wollen, was eine Steigerung um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahresergebnis für die Amerikaner bedeutet. Die Gunst der potenziellen Kunden zu gewinnen, darum geht es für die Hersteller von Kites. Viel wichtiger ist jedoch noch, den Kunden nach dem ersten Kauf auch möglichst langfristig zu binden, was nicht in jedem Fall nur über gute Flugeigenschaften gelingt. Verarbeitung, Haltbarkeit, Funktionalität aber auch Kundenservice, Beratung und eventuell anfallende Reklamationen können ausschlaggebend dafür sein, ob der Kunde bei einem hochpreisigen Produkt wie einem Kite erneut auf den gleichen Hersteller zurückgreift. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Kite- nicht von der Automobil- oder Computerbranche. Der Kunde ist anspruchsvoll und möchte im Falle eines Problems nicht alleingelassen werden.
Markentreue der Kunden (Basis: Welcher Kite (Marke) wurde zule t gekau und welcher Kite (Marke) wird voraussichtlich als nächster gekauft?)
Über die Kundschaft mit der höchsten Zufriedenheit bei der Markenwahl darf sich wie bereits 2013 Core freuen. Die Fehmaraner können mit qualitativ hochwertiger Verarbeitung, leistungsstarken Produkten, aber eben auch einem guten Service – verglichen mit allen anderen Herstellern in Deutschland – auf die höchste Markentreue bei ihren Kunden bauen. North- Kiteboarding-Kunden sind ebenfalls äußerst zufrieden. 80 Prozent von ihnen geben an, auch ihr nächstes Produkt aus dem Hause North erstehen zu wollen, was eine Steigerung um zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr bedeutet und die Oberhachinger sehr nah an den Führen- den heranbringt. Entscheidende Zugewinne bei der Kundenzufriedenheit können auch die Firmen Best und Ozone verglichen mit den Werten von 2013 erzielen. Als fast schon alarmierender Wert ist wiederum das Ergebnis von Naish zu bewerten. Nicht nur im Board-, sondern auch im Kitebereich scheinen die Kunden wenig zufrieden zu sein. Gaben 2013 noch 58 Prozent der Naish-Kunden an, sich erneut für ein Produkt der Hawaiianer entscheiden zu wollen, bricht dieser Wert auf nur noch 41 Prozent zusammen, womit die Luft für den einstigen Marktführer in der aktuellen Saison ziemlich dünn werden könnte. Robby Naish wäre offensichtlich gut damit beraten, sich, anstatt auf SUPs, langsam wieder etwas mehr auf seine Kitemarke zu konzentrieren, bevor es nichts mehr gibt, auf das man sich konzentrieren müsste.
Dieser Artikel ist in der Kitelife Ausgabe Nr. 46 erschienen.