Schnell erfahren: Tipps und Tricks für Ein- und Aufsteiger Teil 2

AUF NUMMER SICHER BEIM KITEAUFBAU

Wie hoch sollte der Fülldruck bei einem Tubekite sein? Wird die Bar nach Luv oder nach Lee ausgelegt? Und was schafft Abhilfe bei einem Knoten in den Leinen? Kiteexperte und Sportwissenschaftler Timo Sternemann erläutert die wichtigsten Schlüsselaspekte für einen sicheren Start in die Session.

Es sind Momente der Vorbereitung, Mo­mente der Vorfreude und nicht selten Momente der Hektik. Ist man endlich am Strand angekommen und der Wind fegt in bester Manier schön konstant über den Strand, gibt es kein Halten mehr. Dann kann es nicht schnell ge­ nug gehen, bis die Füße endlich auf dem Board stehen. Aber genau diese wenigen Minuten unmittelbar vor dem Start der Session erfordern höchste Aufmerksamkeit und Konzentration. Kleine Fehler oder Versäumnisse während des Aufbaus können später weitreichende Folgen haben. Der Startvorgang gehört zu den unfall­trächtigsten Momenten beim Kitesurfen, was in der Regel auf Fehler beim Aufbau oder einen nicht sachgemäßen Startvorgang zurückzuführen ist. Wer hingegen eine innere Checkliste erstellt und sie entsprechend abarbeitet, kann mit deutlich besserem Gefühl aufs Wasser gehen. Nachdem die Windrichtung und die Windstärke geprüft wurden, gilt es, die Ausrüstung vorzube­ reiten. Doch was kommt zuerst? Der Kite oder die Bar? Eine pauschal richtige Antwort existiert in diesem Fall nicht. Wer jedoch zunächst seine Leinen auslegt, blockiert am Strand länger einen größeren Platz, den andere womöglich gebrau­ chen können. Zudem besteht das Risiko, dass eine unaufmerksame Person durch die Leinen stolpert und damit die fein säuberlich geord­neten Schnüre wieder durcheinanderbringt.

Bevor der Pumpvorgang gestartet wird, sollte man das Deflate-Ventil sorgfältig verschließen.

Existiert viel Platz und am Strand ist wenig los, ist es im Grunde vollkommen egal, in welcher Reihenfolge vorgegangen wird. Bei wenig Platz oder einem gut besuchten Strand bringt es aller­ dings klare Vorteile, sich zunächst dem Kite zu widmen. Dabei gilt grundsätzlich: Alles geschieht mit dem Wind! Bereits beim Auspacken des Schirms zeigen Rücken und Fronttube in den Wind. Der Untergrund ist frei von allem, was den Kite durchstechen oder anderweitig beschädigen könnte. Dann sollte das Deflate­Ventil vernünftig verschlossen werden. Einerseits erspart man sich so unnötige Pumpenhübe, andererseits kann sich ein nur zaghaft verschlossenes Ventil bei einem Absturz leicht öffnen.

Steht kein Manometer zur Verfügung, kann der „Schnipp-Test“dazu dienen, einen ausreichenden Fülldruck sicherzustellen.

Für ein stabiles Profil und entsprechend optimale Flugeigenschaften dürfen Kites schon recht hart aufgepumpt werden. Aber wie hart ist hart? Je nach Hersteller und Schirmgröße werden sechs bis zehn PSI als optimaler Fülldruck angegeben. Bei man­chen Schirmen ist der benötigte Druck auch
in Ventilnähe auf der Fronttube abgedruckt. Wer also ein Manometer an der Pumpe hat, weiß Bescheid und muss nur pumpen, bis der Zeiger auf grün steht. Aber auch ohne Manometer gibt es Möglichkeiten, sich diesem Druck zumindest grob zu nähern. Der „Schnipp­Test“ soll Aufschluss darüber geben, wie hart die Tubes bereits aufgepumpt sind. Dafür wird mit dem Fingernagel gegen die Tube geschnippt, wobei im Optimalfall ein hohler, blecherner Klang ertönt. Lässt sich das Tip des Kites im Bereich der Fronttube noch leicht einknicken und schnellt beim Lösen der Hand nicht sofort zurück, ist der Schirm eindeutig zu gering befüllt. Auch wenn sich die Fronttube mit dem Finger noch eindrücken lässt, ist das ein klares Zeichen für zu geringen Fülldruck. Um den Optimalzustand herzustellen, ist eine Pumpe mit Manometer sicher die beste Lösung, aber auch mit diesen Prüfaktio­ nen ist es möglich, das Optimum zu erreichen. Fällt einer dieser Tests negativ aus und der Kite wird trotzdem gestartet, läuft man Gefahr, eine schlaffe Tüte am Himmel zu haben, die einen Relaunch im Wasser unmöglich macht oder bei starkem Wind auch vollkommen kollabieren kann.

Lässt sich die Frontube durch Druck mit dem Finger noch einbeulen, ist der Fülldruck nicht ausreichend.

Nahezu alle modernen Kites sind mit einem One­ Pump­ System ausgerüstet. Der Kite lässt sich also über ein einziges Ventil an der Fronttube vollständig befüllen. An den Verbindungsschläu­chen zwischen der Fronttube und den Struts finden sich meist kleine Kunststoffklemmen. Während des Pumpvorgangs müssen sie natür­ lich geöffnet sein und danach, wenn das Haupt­ ventil verschlossen ist, ebenfalls geschlossen werden. Im Falle einer Beschädigung des Sys­tems entlüften so nicht alle Kammern des Kites, wodurch der Schirm als Auftriebshilfe genutzt werden kann. Handelt es sich allerdings um ein reines Stehrevier, können die Klemmen geöffnet bleiben, da sich so der Druck im Kite bei harten Einschlägen besser verteilen kann. Das schont die Nähte und steigert die Lebensdauer des Schirms. An der Frage, ob man nun die Leinen nach Luv oder nach Lee auslegen sollte, schei­ den sich die Geister. Dieses Thema sorgt immer wieder für hitzige Diskussionen und genau des­ halb sollte man es nicht überbewerten.

Geöffnet beim Pumpen, geschlossen, bevor es aufs Wasser geht: Lediglich in Stehrevieren können die Klemmen geöffnet bleiben, was den Kite bei harten Einschlägen schont.

Es kann klar gesagt werden: Ob Leinen nach Luv oder Lee, beides ist möglich. Wird die Bar nach Luv abgewickelt, legt man den Kite am besten auf die Frontleinen und führt die Steuerleinen außen herum. So wird verhindert, dass sich Front­ und Steuerleinen beim Anknüpfen ver­ sehentlich verdrehen. Aber: Wird diese Variante gewählt, ist der Kite „scharf“. Nimmt jemand die Bar in die Hand und der Kite dreht sich aus irgendwelchen Gründen in den Wind, liegt er voll in der Powerzone und wird zu einem schwer kontrollierbaren Objekt.

Bar in Lee, Kite in Luv: Das ist die sicherte Variante beim Aufbau.

Wird die Bar vom Kite aus gesehen nach Lee abgewickelt, kann dieser Fall kaum eintreten, da der Schirm zunächst mindestens die zweifache Leinenlänge an Strecke über den Strand zurück­ legen müsste, bis Zug auf die Leinen kommt. Betrachtet man die beiden Möglichkeiten unter dem reinen Sicherheitsaspekt, kann festgehalten werden: Wer die Leinen nach Lee auslegt, wählt die sicherste Variante.

Der Nächste Schritt hat so manchen schon zur Weißglut getrieben: Was gibt es Schlimmeres als heillos verdrehte und verknotete Leinen, wenn das einzige Ziel darin besteht schnell aufs Wasser zu kommen? Nichts! Und genau deshalb führen zum Glück viele Wege nach Rom, wobei individuellen Noten nichts entgegenzusetzen ist. Eine Variante, die sich bei der Schulung von Einsteigern bewährt hat, ist die des vollen Körpereinsatzes.

Die Strategie des vollen Körpereinsatzes beim Sortieren der Leinen.

Die Frontleinen zwischen die Beine, je eine Steuerleine in eine Hand und los geht es nach Luv bis zum Kite. Anschließend zurück, die Frontleinen ausdrehen und schon kann der Schirm angeknüpft werden. Doch es lohnt sich auch, über die Hand als „Kamm“ nachzudenken.

Eine Hand als Kamm einzusetzen bringt erhebliche Erleichterung.

Die Handfläche zeigt dabei nach Luv und die Leinen werden in diesen Kamm einsortiert. Die freie Hand schiebt die Leinen schwungvoll nach vorn, rüttelt und schüttelt ein bisschen und macht damit den Weg für den Kamm frei. Auf diese Weise lassen sich die Verdrehungen der Leinen leichter in Richtung Leinenenden schieben.

Knoten in den Leinen sind potenzielle Schwachstellen, die umgehend entfernt werden sollten.

Aufmerksamkeit ist trotzdem gefragt. Nur so werden keine Knoten übersehen, die sich womöglich in die Leinen verirrt haben. Knoten sind Schwachstellen, an denen Leinen leichter reißen können. Um einen Knoten in einer Leine zu entfernen, gibt es am Strand ein verlässliches Mittel: kauen, kauen, kauen. Aber vorsichtig, da­ mit weder Zähne noch Leine Schaden nehmen.

Kauen mit leichtem Druck löst den Knoten und das Problem.

Nach etwa fünf bis zehn Minuten ist der Knoten weich und lässt sich lösen. Diese Zeit sollte man sich nehmen. Je häufiger eine Leine mit Knoten in Verwendung ist, desto schwieriger lässt sich dieser entfernen und desto höher ist das Risiko von Leinenbruch. Sind die Leinen gut sortiert, sollte dafür gesorgt werden, dass ein übersichtliches Bild vorliegt. Die Wageleinen am Kite sind also geordnet und ent­ wirrt und die Leinenenden der Bar entsprechend parallel zueinander neben die Anknüpfpunkte gelegt. Ein letzter Blick zur Bar: Alle Leinen frei? Dann kann angeknüpft werden. Das System ist meist leicht durchschaubar. Die passenden Gegenstücke haben die gleichen Farben und immer ein Knotenköpfchen oder eine Schlaufe. Aus dieser festen Schlaufe muss zunächst eine bewegliche Schlaufe gelegt werden. Im End­ effekt der einzige Seemannsknoten, den ein Kiter beherrschen muss – der Lerchenkopf. Nachdem der kleine Knoten in der Schlaufe ist, unbedingt einmal richtig festziehen, damit er sich nicht gleich bei der ersten Lenkbewegung löst. Kommt ein nagelneuer Kite zum Einsatz, sollte man es beim Pumpen rechtzeitig langsam angehen lassen.

Lerchenkopf: Der einzige Seemannsknoten, den Kiter wirklich beherrschen sollten.

Sobald der Kite sein Profil annimmt, kurz innehalten und alle Tubes checken. Füllen sie sich gleichmäßig? Wenn nicht, auf keinen Fall weiter­ pumpen, sondern die Tubes glattstreichen und die Luft vorsichtig zu den Strutenden schieben. Hin und wieder sind die Bladder in der Tube verdreht, wodurch die Luft sie nicht komplett an die Innen­wand der Tubes drücken kann. Da wo der Bladder nicht an die Innenwand drückt, bläht er sich auf und platzt letztlich. Außerdem gilt es in diesem Fall alle Anknüpfpunkte zu kontrollieren und vor dem Start richtig festzuziehen.

Vor der ersten Verwendung eines neuen Kites müssen unbedingt alle Anknüpfpunkte kontrolliert und festgezogen werden.

In der Fabrik geschieht das nicht immer zu 100 Prozent und es gehört zu den ziemlich unangenehmen Überraschungen, wenn sich im Flug ein oder mehrere Schenkel der Waage von der Fronttube lösen. Werden diese Schritte verinnerlicht und zu einem automatisch ablaufenden Programm, steht einer optimal vorbe­reiteten Session nichts mehr im Wege.